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Schwarmdumm oder Schwarmsmart?

Lesedauer ca. 4 Minuten

Sicher hast Du auch schon von der Schwarmintelligenz gehört. Angeblich ist es besser, wenn viele zusammen in einem Brei rühren. Oder doch nicht? Gunter Dueck hat den Begriff „schwarmdumm“ geprägt und führt eine Menge Gründe in seinem gleichnamigen Buch aus, warum das in der Praxis gar nicht so einfach ist. [Dueck2015]

Trotzdem gilt, dass wenn ein Problem komplex und die menschliche Intuition gefragt ist, hilft es normalerweise, verschiedene Perspektiven einzunehmen und somit das Problem als Gruppe zu lösen.

Aber wer bringt sich wirklich ein?

Und war die Entscheidung am Ende gut?

Was waren eigentlich unsere Annahmen und unsere Argumente, warum wir so entschieden haben, wie wir entschieden haben?

Wer hatte welche Perspektive und welche Argumente?

Datengetriebene Entscheidungsverbesserung

Im Normalfall haben wir all diese Daten nicht zur Verfügung, um die oben genannten Fragen zu beantworten. Es sind höchstens wage Erinnerungen an das letzte Meeting in dem doch der Soundso gesagt hat, das… oder irre ich mich jetzt?

Auch wenn die berühmte Folienschlacht losgeht, weil der nächste Lenkungsausschuss ansteht. Am Ende steht dort nur das Ergebnis, was aus zahllosen bilateralen Meetings hervorgegangen ist. Aber warum auf Seite 3 der letzte Punkt entfernt wurde, weiß keiner mehr…

Das sind alles Zeichen von Schwarmdummheit.

Moderne Organisationskonzepte, sei es Lean/Kanban et al, Agile/Scrum, SAFe, LeSS aber auch Teal/Holacracy, S3 (zu den Unterschieden auf Konzeptebene siehe auch hier) usw. setzen alles darauf, dass die Mitarbeiter lernen. Das es in Summe eine lernende Organisation gibt. Und größtenteils wird auch explizit auf Evidenzen referenziert, also Fakten, die die Weiterentwicklung bestimmen sollen, statt Meinungen. Im Scrum Guide heißt es bspw.

Scrum basiert auf Empirie und Lean Thinking. Empirie bedeutet, dass Wissen aus Erfahrung gewonnen wird und Entscheidungen auf der Grundlage von Beobachtungen getroffen werden.

[ScrumGuide2020:3]

In komplexen Umgebungen ist unbekannt, was passieren wird.
Nur was bereits geschehen ist, kann für eine vorausschauende Entscheidungsfindung genutzt werden.

[ScrumGuide2020:8]

In einer Retrospektive werden daher Daten, Fakten, Kennzahlen wie Velocity, Cycle Times, Releasehäufigkeit, Time To Recovery, Anzahl der Bugs, Waiting Times, usw. reflektiert, um Verbesserungspotentiale zu sichten und dann auch zu heben.

Aber in Sachen „Entscheidungen“ sieht es meist ziemlich dünn aus mit Daten. „Entscheidungen“ sind sogar meist nicht mal ein explizites Element der Organisationmethoden/Frameworks. Das Wort „Entscheidung“ kommt im Scrum Guide 8 mal vor. Wer entscheidet, ist allerdings nur zweimal Thema:

[Scrum Teams] managen sich außerdem selbst, d.h. sie entscheiden intern, wer was wann und wie macht.

[ScrumGuide2020:5]

Damit der:die Product Owner:in Erfolg haben kann, muss die gesamte Organisation seine:ihre Entscheidungen respektieren. Diese Entscheidungen sind im Inhalt und in der Reihenfolge des Product Backlogs sowie durch das überprüfbare Increment beim Sprint Review, sichtbar.

[ScrumGuide:6]

Es gibt damit keine Aussagen darüber

  • Wer beschließt, dass überhaupt Scrum genutzt werden soll
  • Wie das Team zustande kommt
  • Wie eine Architekturentscheidung getroffen wird – macht das der mittlerweile beliebte Senior Developer oder entscheidet die ganze Gruppe, das Scrum Team? Und wenn ja, wie machen die das dann? Meeting? Hände hoch, abzählen?
  • Wer entscheidet, ob neue Tools eingesetzt werden? Klar, der Wunschtraum jedes Agilisten ist, dass das Scrum Team entscheidet. So wie in Holacracy jede Rolle befugt ist, alles zu machen, was ihrem Purpose dient. Doch auch in Holacracy endet diese Freiheit in der Realität ganz schnell beim Geld. (Siehe Verfassung und die zahlreichen Budget Policies, die in praktizierenden Unternehmen aufgesetzt sind.)

.. und so bleibt man schwarmdumm…

Wie entscheidet man also wer entscheidet und wie entschieden werden soll?

DAD – Decisions About Decision

Mit dem Modul 2 von DAD werden Entscheidungen, die Gruppen gemeinsam treffen, automatisch protokolliert. Die komplette Genese – also alle Argumente, welche Vorschläge überhaupt zur Debatte standen und was als Ergebnis nachher rausgekommen ist.

Darüber lassen sich Analysen betreiben:

  • Wie lange lassen wir uns im Durchschnitt Zeit für Personalentscheidung? Für Budgetentscheidungen? Für Toolauswahl?
  • Wer bringt sich aktiv ein?
  • Wo habe ich mitgemacht (= Vorschläge gemacht, kommentiert/diskutiert, abgestimmt)?
  • Was waren die Argumente?
  • Wer hat es richtig kommen sehen und wer nicht? Und warum?

Zum ersten Mal hat man Daten zu dem wichtigsten Bindeglied zwischen Ablauf- und Aufbauorga. Und die kann man nutzen, um zu entscheiden, wie zukünftig entschieden werden soll. Um die Organisation effizienter zu machen und immer weniger schwarmdumm zu werden…

Referenzen

  • [Dueck2015] Dueck, Gunter: „schwarumdumm – so blöd sind wir nur gemeinsam“, 2015, Campus Verlag
  • [ScrumGuide2020] Ken Schwaber, Jeff Sutherland: „Scrum Guide – Der gültige Leitfaden für Scrum: Die Spielregeln“, November 2020, deutsche Übersetzung

Hier geht’s zur Übersicht über die beiden Module von ask DAD.


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